Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass schwere Pflichtverletzungen des Sohnes eines Mieters dem Mieter nicht per se zugerechnet werden können und allein keine fristlose Kündigung rechtfertigen. (Entscheidung vom 11.September 2018, Akteneichen: 2 U 55/18)
Zugleich tragen verbale Entgleisungen der Anwältin der Mietpartei eine fristlose Kündigung erst, wenn der Mieter sie sich zu Eigen mache, so das Oberlandesgericht.
Die Vorinstanz, das LandgerichtLimburg hatte die außerordentliche Kündigung für unwirksam erachtet, die Mieterin aber wegen der wirksamen ordentlichen Kündigung zur Räumung und Herausgabe zum 31.08.2018 verurteilt.
Das OLG Frankfurt hat das Urteil des Landgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegt trotz der Vielzahl der Vorfälle bei einer wertenden Gesamtschau und im Hinblick auf das wirksame Ende des Mietvertrages jedenfalls zum 31.08.2018 kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Dabei müsse „der Schweregrad der Pflichtverletzungen unter Prüfung aller Umstände des Einzelfalles berücksichtigt“ werden. Das Aufstellen von Überwachungskameras sei zwar ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vermieterin habe jedoch ihrerseits ebenfalls Kameras aufgestellt. Sie könne sich angesichts des angespannten Mietverhältnisses nicht darauf berufen, dass für ihre Kameras ein sachlicher Grund vorgelegen habe, nicht jedoch für die der Mieterin. Dass der Sohn der Mieterin eine Überwachungskamera der Vermieterin zertrümmert habe und es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Mietparteien gekommen sei, rechtfertige ebenfalls nicht die fristlose Kündigung. Das Verhalten ihres Sohnes könne der Mieterin nicht „per se“ zugerechnet werden. Die Vermieterin hätte die Mieterin vielmehr zuvor abmahnen müssen, bevor sie darauf eine Kündigung stütze. Schließlich ergebe sich auch aus der Strafanzeige der Anwältin der Mieterin kein Grund zur außerordentlichen Kündigung. Äußerungen in einer Strafanzeige unterfielen grundsätzlich dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Dies umfasse auch „pointierte, polemische oder überspitzte Kritik“. Erst Schmähkritik sei die Grenze. Die Erwähnung der Herkunft der Familie der Vermieterin habe sich bei der erforderlichen Kontextanalyse zwar als „fremdenfeindlich erscheinende(n) Entgleisung“ dargestellt. Es sei jedoch nicht feststellbar, dass sich die Mieterin diese Bewertung ihre Anwältin zu eigen gemacht habe. Im Hinblick auf das ohnehin zu Ende Mai 2018 wirksam beendete Mietverhältnis sei auch kein überwiegendes Interesses an der sofortigen Beendigung feststellbar.
Das Urteil ist zumindest dahingehend zweifelhaft, dass es außer Acht lässt, dass mitunter doch eine Gesamtbetrachtung notwendig ist, verbunden mit der Dauer und der Schwere der Ereignisse und die damit verbundene Einwirkung auf das Mietverhältnis und die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag.
Die Entscheidung finde Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA181103441&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp