Der BGH hat im Zusammenhang mit dem vorläufigen Zahlungsverweigerungsrecht des Haushaltskunden gegenüber dem Grundversorger bei der Berechnung eines ungewöhnlich hohen Stromverbrauchs entschieden, dass Mieter deutlich überhöhte Abrechnungen nicht bezahlen müssen, wenn die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ des Energieanbieters besteht.
Der BGH hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt und die Revision des Energieversorgungsunternehmens zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BGH ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass hier die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV bestehe, angesichts der von ihm festgestellten Umstände aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sondern vielmehr nahe liegend. Insbesondere habe das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht fehlerhaft einen unzutreffenden, zu Gunsten des Kunden zu großzügigen Maßstab angelegt.
Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV beruhe zwar – ebenso wie die von ihr abgelöste Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 AVBEltV – auf der Erwägung des Verordnungsgebers, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Grundversorger nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen hinnehmen müssten, die sich daraus ergeben, dass Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen zu vermeiden, habe der Verordnungsgeber es den Versorgungsunternehmen ermöglichen wollen, die Vielzahl ihrer häufig kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen.
Der Kunde werde deshalb nach § 17 StromGVV im Regelfall mit seinen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnung (insbesondere Mess- und Ablesefehler) im Zahlungsprozess des Versorgers ausgeschlossen. Dadurch werde der Kunde aber nicht rechtlos gestellt. Denn die Darlegungs- und Beweislast des Versorgers für die Richtigkeit der Abrechnung ändert diese Regelung nicht. Vielmehr werde die Beweisaufnahme in den Fällen, in denen der Kunde nach § 17 StromGVV mit seinen Einwendungen ausgeschlossen sei, lediglich auf den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert.
Sofern der Kunde allerdings (wie hier die Beklagten angesichts des abgelesenen angeblichen enormen Verbrauchs) bereits die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ aufzeigen könne, sei er mit seinem Einwand nicht auf einen späteren Rückforderungsprozess verwiesen. Vielmehr sei sein Einwand, die berechnete Strommenge nicht bezogen zu haben, schon im Rahmen der Zahlungsklage des Versorgers zu prüfen. Das Energieversorgungsunternehmen müsse dann nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen seines Anspruchs, also auch den tatsächlichen Bezug der in Rechnung gestellten Energiemenge beweisen. Insoweit habe die Klägerin in den Tatsacheninstanzen jedoch keinen tauglichen Beweis angetreten und den streitigen Zähler zudem entsorgt.
Diese Entscheidung ist für den Verbraucher von größter Wichtigkeit und hilft, gegen den Energieversorger Einwendungen geltend zu machen. Sie sollten dringend in jedem Brief an den Versorger zitiert werden zur Begründung des Anspruchs gegen eine überzogene Abrechnung.
Die Entscheidung finden Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA180200334&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp